Vor zehn Jahren wollte ich im Herbst in Kanada sein. Finanzielle und gesundheitliche Gründe hielten mich damals von diesem Wunsch ab und ich sagte mir: „Mal sehen, was ich dafür in zehn Jahren machen werde.“
Nun stand eine Aufgabe von Matthias Schwaighofer auf meiner To-do-Liste, bei der ich mich von meiner Nase und meinem Bauchgefühl leiten ließ, um zu sehen, wo ich lande. Und ja, ich habe eine rege Fantasie, die ich liebe und nehme mich selbst auch nicht immer all zu ernst. Es ging auf Wanderschaft. Für vier Stunden gen Westen, während ich nach Osten lief, immer der Nase nach, in eine Richtung und zurück.
Mit dem Laden des Videos akzeptierst du die Datenschutzerklärung von YouTube (mehr dazu hier). Musik: www.musicfox.com
Die Wahl des Ortes, an dem ich diesen Marsch angehen will: eine reine Bauchentscheidung. Seit rund drei Wochen zieht es mich innerlich einfach ans Ufer eines Sees und ich entscheide mich an einen Ort mit mehreren wunderschönen Gewässern zu fahren, um dort zu wandern. Dass ich nun stattdessen an einem Flussufer entlang gehen werde, ist wieder eine Entscheidung aus meinem Herzen. Beim Blick auf die Karte zieht es mich die Linie des Flusses entlang und mir ist mittlerweile bewusst, dass mein Herz mehr weiß, als mein Verstand sich traut.
Im Gespräch mit dem Vermieter der Ferienwohnung kommen wir auch auf mein Vorhaben zu sprechen und er gibt mir eine gute Empfehlung, wo ich morgen losmarschieren kann, denn Überraschung: meine Unterkunft liegt am perfekten Startpunkt für meinen Weg. Dieses Bauchgefühl: unbezahlbar. Zudem darf ich mich auch auf dem Handy melden, falls etwas bei mir/ich komplett schieflaufen sollte. Durchaus beruhigend und ein Gedanke, der mir noch mal auf interessante Weise in den Sinn kommen wird.
Der Wetterbericht sagt kuschelige 9°C und Regen ab dem frühen Nachmittag an. Mein Plan sieht also vor, kurz nach Sonnenaufgang loszugehen, um bestenfalls, nach acht Stunden, mit einsetzendem Regen zurück zu sein.
Nachdem ich in der Nacht nicht schlafen kann, geht es müde und mit einer halben Stunde Verspätung los. Auf meinen Fersen kleben vorsorglich mehrere Blasenpflaster und die Schuhe sind gezielt gepolstert. Ich kenne meine Füße.
Angespannter als gedacht mach ich mich fertig und gehe los, da ich innerlich einen Wettlauf mit dem Wetterbericht antrete.
Nach 15 Minuten nähert sich auf dem Schotterweg ein dunkler Pick-up von hinten und ein Mann mit dicker Wollmütze auf dem Kopf, spricht mich aus dem Auto heraus an. Er fragt nach meinem Weg, wohin ich wolle, da es eine Route gibt, die aktuell aufgrund der Wildtier-Fütterung, nicht begehbar sei. Nachdem ich aber nur den Fluss entlang möchte, gibt er mir grünes Licht und steuert mit seinem Allradantrieb in Richtung Wald. Ich gehe also weiter und mein Hinterkopf fragt sich, was es mit der Wildtier-Fütterung auf sich hat.
Innerhalb der nächsten fünf Minuten lege ich rund 8.000 Kilometer zurück. Hinter einer Baumreihe taucht eine Szenerie mit einem Flussbett vor dahingemalten Bergen und einem Wald, der ans Ufer reicht, auf. Innerlich jubiliere ich, ohne zu atmen (auf diese Weise beherrsche ich Multitasking, indem ich etwas weglasse): ich habe es bis nach British Columbia geschafft!
Das Flussbett hat mich völlig in seinen Bann gezogen und ich stiefele mit dem Gefühl von kleiner großer Abenteuerin durch die Wildnis Kanadas während irgendwo zu meiner rechten, halbwegs parallel der Wanderweg entlangführen dürfte, der mir gestern empfohlen wurde.
Teil der Aufgabe ist es auch festzuhalten, was ich sehe und erlebe. Meine Sinne nehmen pausenlos Motive, Panoramen und kleine Details um mich herum wahr. Von schneeverzuckerten Gipfeln über alte Liebesbezeugungen im Baumstamm hin zu vereinzelten, sauber abgenagten Knochen. Wie war das mit der Wildtierfütterung? Um welche Art Wildtiere handelt es sich dabei?
Ich sehe Spuren, die ich Rotwild zuordnen würde und daneben Pfotenabdrücke. Hund oder Wolf? Und sind die Spuren gleich alt oder zeitversetzt entstanden? Das innere Wildnis Erlebnis bekommt den Hauch eines 360° IMAX Kino Films. Während meiner Anreise gestern wurde in den Nachrichten von der Schwester des ehemaligen „Problem-Bären“ berichtet, die ein paar hundert Kilometer südlich von meinem aktuellen Standort eingefangen wurde, nachdem sie eine Person im Wald beim Joggen anfiel.
Ich kann mir zwar aktuell eher Wölfe, als Bären in dieser Gegend vorstellen, aber unterschwellig macht es in meiner Fantasie mein Umfeld noch ein bisschen mehr zu Kanada.
Das Gefühl von allein in der „Wildnis“ zu sein ist schön und etwas mulmig zugleich, während zwei Krähen über mir diskutieren. Immerhin gibt es zwei Menschen hier im Umkreis, die von meiner Route wissen: Der Herr aus dem PickUp und mein Vermieter. Einen von ihnen könnte ich sogar anrufen (moderne Wildnis mit Handyempfang).
Während ich am Flussufer hocke und die Kamera wieder im Rucksack verstaue, um weiterzukommen, das Nächste Was-auch-immer zu entdecken, erklingt ein interessanter Satz in Richtung meines inneren Antreibers: „Eile? Warum?! Ich weiß doch ohnehin nicht was kommt.“ Der Satz schenkt mir augenblicklich eine herrliche Ruhe und ich schalte einen Gang zurück.
Noch eineinhalb Stunden liegen vor mir. Ich fange an, meine Muskulatur zu spüren aber bisher keine Anzeichen von Blasen an den üblichen Stellen.
Die letzten 40 Minuten fühlen sich zäh an. Ich muss einmal umdrehen da ich an eine Absperrung gelange, die Mensch und Tier davon abhalten soll einen Abhang hinunterzugleiten. Ich denke unter diesen Umständen ist es in Ordnung, wenn ich nicht, wie geplant, vier Stunden in eine Richtung gehe. Langsam macht sich auch das Gefühl bemerkbar, dass sich eine Blase am Fuß bildet. Aber an einer mir völlig neuen Stelle. Kann man Blasen unter dem Zehennagel bekommen? Und werden wohl mal Blasenpflaster-Socken erfunden?
Nach vier Stunden in den Schuhen, beschließe ich den Walk barfuß im Fluss zu besiegeln. Zum einen, weil mich mein Vermieter gestern damit angefixt hat und zum anderen, weil ich tatsächlich nicht widerstehen kann. Raus komme ich allerdings wieder sehr schnell, nachdem der Temperaturunterschied zwischen heiß gelaufenen Sohlen und Wasser signifikant ist. Bevor ich mich aber auf den Rückweg mache, bleibe ich eine Weile am Ufer sitzen und genieße beseelt lächelnd und lauschend diesen wunderschönen Ort.
Was zeitlich nicht zu unterschätzen ist, ist die Dokumentation dieses Walks und das „Fotografen-Verlangen“. Für den Rückweg entscheide ich mich gegen weiteres Bildmaterial, da ich den Wetterbericht im Kopf habe. Als ich dadurch nach knapp der Hälfte der zuvor gelaufenen Zeit am Startpunkt ankomme, muss ich über meine stramme Leistung lachen.
Danke Matthias, für diese wundervolle Aufgabe, die nach einer Wiederholung an einem anderen, noch unbekannten Ort ruft. Danke auch Florian Schmid vom Wallgauer Hof für die guten Tipps.
Vor zehn Jahren wollte ich im Herbst in Kanada sein. Finanzielle und gesundheitliche Gründe hielten mich damals von diesem Wunsch ab und ich sagte mir: „Mal sehen, was ich dafür in zehn Jahren machen werde.“
Nun stand eine Aufgabe von Matthias Schwaighofer auf meiner To-do-Liste, bei der ich mich von meiner Nase und meinem Bauchgefühl leiten ließ, um zu sehen, wo ich lande. Und ja, ich habe eine rege Fantasie, die ich liebe und nehme mich selbst auch nicht immer all zu ernst. Es ging auf Wanderschaft. Für vier Stunden gen Westen, während ich nach Osten lief, immer der Nase nach, in eine Richtung und zurück.
Mit dem Laden des Videos akzeptierst du die Datenschutzerklärung von YouTube (mehr dazu hier).
Musik: www.musicfox.com
Die Wahl des Ortes, an dem ich diesen Marsch angehen will: eine reine Bauchentscheidung. Seit rund drei Wochen zieht es mich innerlich einfach ans Ufer eines Sees und ich entscheide mich an einen Ort mit mehreren wunderschönen Gewässern zu fahren, um dort zu wandern. Dass ich nun stattdessen an einem Flussufer entlang gehen werde, ist wieder eine Entscheidung aus meinem Herzen. Beim Blick auf die Karte zieht es mich die Linie des Flusses entlang und mir ist mittlerweile bewusst, dass mein Herz mehr weiß, als mein Verstand sich traut.
Im Gespräch mit dem Vermieter der Ferienwohnung kommen wir auch auf mein Vorhaben zu sprechen und er gibt mir eine gute Empfehlung, wo ich morgen losmarschieren kann, denn Überraschung: meine Unterkunft liegt am perfekten Startpunkt für meinen Weg. Dieses Bauchgefühl: unbezahlbar. Zudem darf ich mich auch auf dem Handy melden, falls etwas bei mir/ich komplett schieflaufen sollte. Durchaus beruhigend und ein Gedanke, der mir noch mal auf interessante Weise in den Sinn kommen wird.
Der Wetterbericht sagt kuschelige 9°C und Regen ab dem frühen Nachmittag an. Mein Plan sieht also vor, kurz nach Sonnenaufgang loszugehen, um bestenfalls, nach acht Stunden, mit einsetzendem Regen zurück zu sein.
Nachdem ich in der Nacht nicht schlafen kann, geht es müde und mit einer halben Stunde Verspätung los. Auf meinen Fersen kleben vorsorglich mehrere Blasenpflaster und die Schuhe sind gezielt gepolstert. Ich kenne meine Füße.
Angespannter als gedacht mach ich mich fertig und gehe los, da ich innerlich einen Wettlauf mit dem Wetterbericht antrete.
Nach 15 Minuten nähert sich auf dem Schotterweg ein dunkler Pick-up von hinten und ein Mann mit dicker Wollmütze auf dem Kopf, spricht mich aus dem Auto heraus an. Er fragt nach meinem Weg, wohin ich wolle, da es eine Route gibt, die aktuell aufgrund der Wildtier-Fütterung, nicht begehbar sei. Nachdem ich aber nur den Fluss entlang möchte, gibt er mir grünes Licht und steuert mit seinem Allradantrieb in Richtung Wald. Ich gehe also weiter und mein Hinterkopf fragt sich, was es mit der Wildtier-Fütterung auf sich hat.
Innerhalb der nächsten fünf Minuten lege ich rund 8.000 Kilometer zurück. Hinter einer Baumreihe taucht eine Szenerie mit einem Flussbett vor dahingemalten Bergen und einem Wald, der ans Ufer reicht, auf. Innerlich jubiliere ich, ohne zu atmen (auf diese Weise beherrsche ich Multitasking, indem ich etwas weglasse): ich habe es bis nach British Columbia geschafft!
Das Flussbett hat mich völlig in seinen Bann gezogen und ich stiefele mit dem Gefühl von kleiner großer Abenteuerin durch die Wildnis Kanadas während irgendwo zu meiner rechten, halbwegs parallel der Wanderweg entlangführen dürfte, der mir gestern empfohlen wurde.
Teil der Aufgabe ist es auch festzuhalten, was ich sehe und erlebe. Meine Sinne nehmen pausenlos Motive, Panoramen und kleine Details um mich herum wahr. Von schneeverzuckerten Gipfeln über alte Liebesbezeugungen im Baumstamm hin zu vereinzelten, sauber abgenagten Knochen. Wie war das mit der Wildtierfütterung? Um welche Art Wildtiere handelt es sich dabei?
Ich sehe Spuren, die ich Rotwild zuordnen würde und daneben Pfotenabdrücke. Hund oder Wolf? Und sind die Spuren gleich alt oder zeitversetzt entstanden? Das innere Wildnis Erlebnis bekommt den Hauch eines 360° IMAX Kino Films. Während meiner Anreise gestern wurde in den Nachrichten von der Schwester des ehemaligen „Problem-Bären“ berichtet, die ein paar hundert Kilometer südlich von meinem aktuellen Standort eingefangen wurde, nachdem sie eine Person im Wald beim Joggen anfiel.
Ich kann mir zwar aktuell eher Wölfe, als Bären in dieser Gegend vorstellen, aber unterschwellig macht es in meiner Fantasie mein Umfeld noch ein bisschen mehr zu Kanada.
Das Gefühl von allein in der „Wildnis“ zu sein ist schön und etwas mulmig zugleich, während zwei Krähen über mir diskutieren. Immerhin gibt es zwei Menschen hier im Umkreis, die von meiner Route wissen: Der Herr aus dem PickUp und mein Vermieter. Einen von ihnen könnte ich sogar anrufen (moderne Wildnis mit Handyempfang).
Während ich am Flussufer hocke und die Kamera wieder im Rucksack verstaue, um weiterzukommen, das Nächste Was-auch-immer zu entdecken, erklingt ein interessanter Satz in Richtung meines inneren Antreibers: „Eile? Warum?! Ich weiß doch ohnehin nicht was kommt.“ Der Satz schenkt mir augenblicklich eine herrliche Ruhe und ich schalte einen Gang zurück.
Noch eineinhalb Stunden liegen vor mir. Ich fange an, meine Muskulatur zu spüren aber bisher keine Anzeichen von Blasen an den üblichen Stellen.
Die letzten 40 Minuten fühlen sich zäh an. Ich muss einmal umdrehen da ich an eine Absperrung gelange, die Mensch und Tier davon abhalten soll einen Abhang hinunterzugleiten. Ich denke unter diesen Umständen ist es in Ordnung, wenn ich nicht, wie geplant, vier Stunden in eine Richtung gehe. Langsam macht sich auch das Gefühl bemerkbar, dass sich eine Blase am Fuß bildet. Aber an einer mir völlig neuen Stelle. Kann man Blasen unter dem Zehennagel bekommen? Und werden wohl mal Blasenpflaster-Socken erfunden?
Nach vier Stunden in den Schuhen, beschließe ich den Walk barfuß im Fluss zu besiegeln. Zum einen, weil mich mein Vermieter gestern damit angefixt hat und zum anderen, weil ich tatsächlich nicht widerstehen kann. Raus komme ich allerdings wieder sehr schnell, nachdem der Temperaturunterschied zwischen heiß gelaufenen Sohlen und Wasser signifikant ist. Bevor ich mich aber auf den Rückweg mache, bleibe ich eine Weile am Ufer sitzen und genieße beseelt lächelnd und lauschend diesen wunderschönen Ort.
Was zeitlich nicht zu unterschätzen ist, ist die Dokumentation dieses Walks und das „Fotografen-Verlangen“. Für den Rückweg entscheide ich mich gegen weiteres Bildmaterial, da ich den Wetterbericht im Kopf habe. Als ich dadurch nach knapp der Hälfte der zuvor gelaufenen Zeit am Startpunkt ankomme, muss ich über meine stramme Leistung lachen.
Danke Matthias, für diese wundervolle Aufgabe, die nach einer Wiederholung an einem anderen, noch unbekannten Ort ruft. Danke auch Florian Schmid vom WALLGAUER HOF für die guten Tipps.
Vor zehn Jahren wollte ich im Herbst in Kanada sein. Finanzielle und gesundheitliche Gründe hielten mich damals von diesem Wunsch ab und ich sagte mir: „Mal sehen, was ich dafür in zehn Jahren machen werde.“
Nun stand eine Aufgabe von Matthias Schwaighofer auf meiner To-do-Liste, bei der ich mich von meiner Nase und meinem Bauchgefühl leiten ließ, um zu sehen, wo ich lande. Und ja, ich habe eine rege Fantasie, die ich liebe und nehme mich selbst auch nicht immer all zu ernst. Es ging auf Wanderschaft. Für vier Stunden gen Westen, während ich nach Osten lief, immer der Nase nach, in eine Richtung und zurück.
Mit dem Laden des Videos akzeptierst du die Datenschutzerklärung von YouTube
(mehr dazu hier). Musik: www.musicfox.com
Die Wahl des Ortes, an dem ich diesen Marsch angehen will: eine reine Bauchentscheidung. Seit rund drei Wochen zieht es mich innerlich einfach ans Ufer eines Sees und ich entscheide mich an einen Ort mit mehreren wunderschönen Gewässern zu fahren, um dort zu wandern. Dass ich nun stattdessen an einem Flussufer entlang gehen werde, ist wieder eine Entscheidung aus meinem Herzen. Beim Blick auf die Karte zieht es mich die Linie des Flusses entlang und mir ist mittlerweile bewusst, dass mein Herz mehr weiß, als mein Verstand sich traut.
Im Gespräch mit dem Vermieter der Ferienwohnung kommen wir auch auf mein Vorhaben zu sprechen und er gibt mir eine gute Empfehlung, wo ich morgen losmarschieren kann, denn Überraschung: meine Unterkunft liegt am perfekten Startpunkt für meinen Weg. Dieses Bauchgefühl: unbezahlbar. Zudem darf ich mich auch auf dem Handy melden, falls etwas bei mir/ich komplett schieflaufen sollte. Durchaus beruhigend und ein Gedanke, der mir noch mal auf interessante Weise in den Sinn kommen wird.
Der Wetterbericht sagt kuschelige 9°C und Regen ab dem frühen Nachmittag an. Mein Plan sieht also vor, kurz nach Sonnenaufgang loszugehen, um bestenfalls, nach acht Stunden, mit einsetzendem Regen zurück zu sein.
Nachdem ich in der Nacht nicht schlafen kann, geht es müde und mit einer halben Stunde Verspätung los. Auf meinen Fersen kleben vorsorglich mehrere Blasenpflaster und die Schuhe sind gezielt gepolstert. Ich kenne meine Füße.
Angespannter als gedacht mach ich mich fertig und gehe los, da ich innerlich einen Wettlauf mit dem Wetterbericht antrete.
Nach 15 Minuten nähert sich auf dem Schotterweg ein dunkler Pick-up von hinten und ein Mann mit dicker Wollmütze auf dem Kopf, spricht mich aus dem Auto heraus an. Er fragt nach meinem Weg, wohin ich wolle, da es eine Route gibt, die aktuell aufgrund der Wildtier-Fütterung, nicht begehbar sei. Nachdem ich aber nur den Fluss entlang möchte, gibt er mir grünes Licht und steuert mit seinem Allradantrieb in Richtung Wald. Ich gehe also weiter und mein Hinterkopf fragt sich, was es mit der Wildtier-Fütterung auf sich hat.
Innerhalb der nächsten fünf Minuten lege ich rund 8.000 Kilometer zurück. Hinter einer Baumreihe taucht eine Szenerie mit einem Flussbett vor dahingemalten Bergen und einem Wald, der ans Ufer reicht, auf. Innerlich jubiliere ich, ohne zu atmen (auf diese Weise beherrsche ich Multitasking, indem ich etwas weglasse): ich habe es bis nach British Columbia geschafft!
Das Flussbett hat mich völlig in seinen Bann gezogen und ich stiefele mit dem Gefühl von kleiner großer Abenteuerin durch die Wildnis Kanadas während irgendwo zu meiner rechten, halbwegs parallel der Wanderweg entlangführen dürfte, der mir gestern empfohlen wurde.
Teil der Aufgabe ist es auch festzuhalten, was ich sehe und erlebe. Meine Sinne nehmen pausenlos Motive, Panoramen und kleine Details um mich herum wahr. Von schneeverzuckerten Gipfeln über alte Liebesbezeugungen im Baumstamm hin zu vereinzelten, sauber abgenagten Knochen. Wie war das mit der Wildtierfütterung? Um welche Art Wildtiere handelt es sich dabei?
Ich sehe Spuren, die ich Rotwild zuordnen würde und daneben Pfotenabdrücke. Hund oder Wolf? Und sind die Spuren gleich alt oder zeitversetzt entstanden? Das innere Wildnis Erlebnis bekommt den Hauch eines 360° IMAX Kino Films. Während meiner Anreise gestern wurde in den Nachrichten von der Schwester des ehemaligen „Problem-Bären“ berichtet, die ein paar hundert Kilometer südlich von meinem aktuellen Standort eingefangen wurde, nachdem sie eine Person im Wald beim Joggen anfiel.
Ich kann mir zwar aktuell eher Wölfe, als Bären in dieser Gegend vorstellen, aber unterschwellig macht es in meiner Fantasie mein Umfeld noch ein bisschen mehr zu Kanada.
Das Gefühl von allein in der „Wildnis“ zu sein ist schön und etwas mulmig zugleich, während zwei Krähen über mir diskutieren. Immerhin gibt es zwei Menschen hier im Umkreis, die von meiner Route wissen: Der Herr aus dem PickUp und mein Vermieter. Einen von ihnen könnte ich sogar anrufen (moderne Wildnis mit Handyempfang).
Während ich am Flussufer hocke und die Kamera wieder im Rucksack verstaue, um weiterzukommen, das Nächste Was-auch-immer zu entdecken, erklingt ein interessanter Satz in Richtung meines inneren Antreibers: „Eile? Warum?! Ich weiß doch ohnehin nicht was kommt.“ Der Satz schenkt mir augenblicklich eine herrliche Ruhe und ich schalte einen Gang zurück.
Noch eineinhalb Stunden liegen vor mir. Ich fange an, meine Muskulatur zu spüren aber bisher keine Anzeichen von Blasen an den üblichen Stellen.
Die letzten 40 Minuten fühlen sich zäh an. Ich muss einmal umdrehen da ich an eine Absperrung gelange, die Mensch und Tier davon abhalten soll einen Abhang hinunterzugleiten. Ich denke unter diesen Umständen ist es in Ordnung, wenn ich nicht, wie geplant, vier Stunden in eine Richtung gehe. Langsam macht sich auch das Gefühl bemerkbar, dass sich eine Blase am Fuß bildet. Aber an einer mir völlig neuen Stelle. Kann man Blasen unter dem Zehennagel bekommen? Und werden wohl mal Blasenpflaster-Socken erfunden?
Nach vier Stunden in den Schuhen, beschließe ich den Walk barfuß im Fluss zu besiegeln. Zum einen, weil mich mein Vermieter gestern damit angefixt hat und zum anderen, weil ich tatsächlich nicht widerstehen kann. Raus komme ich allerdings wieder sehr schnell, nachdem der Temperaturunterschied zwischen heiß gelaufenen Sohlen und Wasser signifikant ist. Bevor ich mich aber auf den Rückweg mache, bleibe ich eine Weile am Ufer sitzen und genieße beseelt lächelnd und lauschend diesen wunderschönen Ort.
Was zeitlich nicht zu unterschätzen ist, ist die Dokumentation dieses Walks und das „Fotografen-Verlangen“. Für den Rückweg entscheide ich mich gegen weiteres Bildmaterial, da ich den Wetterbericht im Kopf habe. Als ich dadurch nach knapp der Hälfte der zuvor gelaufenen Zeit am Startpunkt ankomme, muss ich über meine stramme Leistung lachen.
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