Diplom-Modedesignerin • Unternehmerin • Positives Energiebündel
Vom befriedigenden Gefühl des Erschaffens und den Ausdrucksformen einer Beinahe-Paläontologin als Modedesignerin.
Mit Michaela Reinhardt unterhielt ich mich in ihrem Bochumer Atelier darüber, wie sie logischerweise Designerin wurde und was sie, selfmade, aus sich gemacht hat.
Wie fandest du deinen Weg zum Modedesign?
Schon als Jugendliche sah ich anders aus, entsprach nicht dem Mainstream, habe mich mit meiner Kleidung identifiziert und ausgedrückt. Ich habe stets etwas Eigenes kreiert.
Mit meinen damaligen Fähigkeiten war es zunächst mehr oder weniger ein wildes Basteln. Aus Stoffresten nähte ich von Hand Sachen für die Puppen oder häkelte etwas. Später griff ich zur Nähmaschine meiner Mutter und versuchte, mir das Nähen selbst beizubringen. Sie hatte eine Truhe voll mit alten Stoffen aus den 1970ern, was für mich immer etwas Besonderes war.
Vielleicht waren es auch die Stoffe, das Haptische, was mich dann in meine Richtung brachte. Der Stoff an sich und was man daraus alles machen kann. Dass ich mich mit dem, was ich gemacht habe, einkleiden kann.
Hattest du ein Vorbild?
Ich hatte zumindest kein bewusstes Vorbild. Damals war ich angetan von Vivienne Westwood, der Queen des Punks, und dann ging es mit der Mode los. Sie war eine Inspiration, aber ich habe mir nie etwas von ihr an die Wand gehängt.
Musik spielte schon immer eine große Rolle in meinem Leben. Mein Vater ist seit jeher aktiver Musiker, auch meine Schwester und ich spielen Instrumente. Musik und Tanz sind Formen des Ausdrucks und gemeinsam mit Mode passt alles für mich zusammen.
Ich hatte also keine Person an sich als Vorbild, sondern eher eine Stilrichtung, die Musik, die Szene, das Sich-selbst-Ausdrücken. Ich hörte viel Indie und Punk. Gothic fand ich auch spannend - die Looks faszinierten mich, wenn ich die Menschen in der Bahn sah. Sie waren so elegant und schick.
Was liebst du an deiner Arbeit?
Ich habe am Ende ein Ergebnis: Es ist real. Ich kann etwas erschaffen. Wenn ich etwas am Computer machen würde, hätte ich am Ende vielleicht Tabellen oder Zahlen, aber das ist für mich nicht greifbar.
Dass es Mode geworden ist, liegt daran, dass ich mich einfach schon immer damit beschäftigt habe. Nach dem Abitur war die Überlegung, ob Paläontologie oder Modedesign. (Sie lacht.) Ich bin ein naturwissenschaftlicher, nüchterner, logisch denkender Mensch. Mathematik und Biologie waren meine Themen in der Schule. Mich hätte auch die Forschung interessiert.
An einer Kunstschule belegte ich Mode-Zeichenkurse und die Frage, ob es vielleicht Kommunikations-/Grafikdesign werden würde, stand im Raum. Doch am Ende war es das Produkt. Ich brauche etwas Haptisches, etwas, das ich anfassen kann.
Ging es vom Studium aus direkt in die Selbstständigkeit?
Während meiner Diplomphase befasste ich mich bereits mit einer Kollegin, die schon einige Zeit vor mir fertig war, mit der Selbstständigkeit. Wir wollten direkt nach meinem Diplom zusammen starten.
Wir dachten uns, dass es im Grunde clever wäre, erst Erfahrungen in der Industrie zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Aber wir wussten auch, wenn wir diesen Weg gingen, würden wir uns nie gemeinsam selbstständig machen. Wenn wir erst einmal unsere Sicherheit hätten und es liefe, würden wir nicht noch einmal zusammenfinden. Deshalb sagten wir uns, wir müssen direkt nach dem Studium starten, ohne Ahnung von allem. Das war auch ein Faktor, der viel Zeit kostete. Wir mussten jeden Fehler selbst machen.
Es gab vom Land Rheinland-Pfalz – ich habe in Trier studiert - geförderte Workshops und Werkstätten, wobei sich meine Kollegin für eine dreitägige Ideen-Werkstatt angemeldet hatte. Deren Team bestand unter anderem aus einer Unternehmensberaterin sowie einem Psychologen. Bei diesen Werkstätten beschäftigten sie sich intensiv mit den Bewerbern und deren Idee für die Selbstständigkeit.
Ich nahm anschließend an einer ähnlichen Kompetenz-Werkstatt teil. Dabei ging es drei Tage darum, ob jemand als Person die Kompetenz dazu hat, sich selbstständig zu machen.
Bei uns merkten sie, wie sehr wir es wollten, und so haben wir mit der Unternehmensberaterin zusammen – wieder vom Land gefördert – Kurse an jedem Samstag bekommen, bei denen es unter anderem darum ging, einen Businessplan zu entwickeln. Ganz individuell – mit Blick darauf, was wir brauchten, wie und wo wir etwas bekamen, Marktanalyse, Zielgruppenanalyse, Produktanalyse, Konkurrenzanalyse und so weiter.
Wie ging es dann für euch beide los?
Die nächste Frage war: Wo? Wir stammten aus unterschiedlichen Städten, ich aus Karlsruhe, meine Kollegin aus Heilbronn. An meinem Studienort wollte ich nicht bleiben. In Berlin war bereits so viel in Sachen Mode, die brauchten uns nicht. München war uns zu konservativ. Hamburg war zu nass oder zu teuer. Köln fiel raus, weil alle, die zum Film wollten, nach Köln gingen. Dann dachten wir an das Ruhrgebiet: Großes Einzugsgebiet, dort brodelte immer etwas, die Niederlande und Belgien sind in der Nähe. Wir überlegten, was in der Mitte liegt, und die Wahl fiel auf Essen.
Wir sahen uns Essen im Februar an, und das war furchtbar. Aber wir hatten es uns ausgesucht.
In der Stadt gibt es das „Unperfekthaus“, ein Künstlerhaus, auf das ich zuvor auch online gestoßen war. Als Kreativschaffende konnte man dort ein Atelier bekommen, wenn man entweder 15 Euro im Monat zahlte oder eine Stunde putzte. Das Konzept war eine Art lebendiges Museum. Mit Gastronomie im Erdgeschoss, und die Besucher mussten dir beim Arbeiten zuschauen dürfen.
Zufällig liefen wir daran vorbei und schauten es uns an. Ich ließ mich auf die Warteliste setzen, um mich für einen Platz zu bewerben. Im Sommer bekam ich die Nachricht, dass ich einen Raum bekommen kann, den ich mir mit einem Informatiker teilen müsste. So zog ich mit meinem Freund nach Essen, meine Kollegin blieb noch in Trier.
Wir gründeten zwei Firmen: ein Label namens „Tolllkirsche“ und eine Kostümfirma, mit der wir für Artisten vom Theater, den Circus Flic Flac und verschiedene Solokünstler kreative Outfits und Kostüme entwickelten. Auch für große Firmen haben wir Promotion-Kostüme für spezielle Anlässe kreiert.
Heute bist du allein selbstständig. Was waren die Schwierigkeiten, die dir/euch begegneten?
Meine Kollegin war die Managerin der Kostümfirma und ich jene des Modelabels. Du kannst aber nicht in jeder Firma parallel alles geben und vorantreiben. Das frustrierte und blockierte mich mit der Zeit. Nach vier Jahren meinte ich, dass wir das Konstrukt auflösen müssen. Sie übernahm dann die Kostümfirma und ich das Label.
Aufgrund von Umbauarbeiten musste ich auch aus dem Künstlerhaus raus und verließ Essen mit meinem jetzigen Mann.
Das Konzept des Labels „Tolllkirsche“ war erst schrill, bunt, Neon, Mustermix – in Richtung Asian Street Fashion. Später wandelte es sich zu alles schwarz, Boutique-Fetisch, Marlene-Hosen, Korsetts, alles sehr elegant. Unsere Mode war zum Teil exzentrisch, zum Teil tragbar, aber trotzdem eine sehr kleine Nische. Man hätte sie über Boutiquen verkaufen müssen. Das geht aber nicht, wenn du alles von Hand herstellst. Nebenbei hatte ich auch das Accessoire-Label „Pimpshrimp“ gegründet, bei dem es ausschließlich bunte, schrille und schräge Accessoires gab.
Unsere „Tolllkirsche“-Kollektionen kamen bei den Leuten super an und jeder wollte sie auf einer Show sehen. Doch zu wenige wollten die Sachen kaufen bzw. Geld dafür ausgeben. An solchen Punkten musst du dir eingestehen, dass etwas nicht funktioniert, und nüchtern darüber nachdenken, was der Grund ist, wo das Problem liegt. Ist es das Produkt, der Vertrieb, der Standort, die Zielgruppe, der Preis?
Ein Jahr lang habe ich mich damit auseinandergesetzt und dann fiel die Entscheidung, dass ich das Produkt ändere. Ich brauchte ein Nischenprodukt, welches ich selbst handhaben kann, das für mich umsetzbar ist, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat und ich weiter direkt an den Endkunden verkaufen kann. Ich entschied mich also, alles über Bord zu werfen, und gründete 2012 das Label „BERON“.
Wenn etwas nicht funktioniert, musst du immer wieder überlegen, woran es liegt, es dir auch eingestehen können und es dann verändern. Denn wenn du immer nur mit dem Kopf durch die Wand willst, tut dir am Ende nur dein Kopf weh. Ich bin Unternehmerin. Ich bin nicht Träumerin oder Künstlerin, die das nur für sich macht, sondern ich möchte und muss damit Geld verdienen.
Würdest du sagen, du bist bei Entscheidungen also eher vernunftgesteuert?
Es kommt darauf an, worum es geht. Die Entscheidungen aus unternehmerischer Sicht betrachte ich nüchtern und analytisch.
Aber wenn es um den Prozess geht, um die Entwicklung, die Umsetzung, ist es manchmal so, dass ich weiß, wie man es theoretisch macht, ich es dann aber nicht mache. (Sie lacht.) Vieles wurde mir beigebracht, was für meinen Betrieb aber nicht umsetzbar ist. Ich kann beispielsweise keine Stoffe anfertigen lassen, sondern bin darauf angewiesen, was der Markt hergibt. Ich mache es also umgekehrt: Ich schaue, was meine Lieferanten an Material haben, lasse mich davon inspirieren und entwickle daraus meine Kollektion.
Es kann auch passieren, dass ich Stoffe kaufe, sie aber nicht sofort verarbeite. Intuitiv weiß ich beim Einkauf: Das brauche ich, das kann ich verkaufen, wenn auch vielleicht nicht jetzt. Das hat viel mit Instinkt, Gefühl, mit Expertise und Erfahrung zu tun.
Anderes ist wieder rein rechnerisch. Ich kaufe zehn, zwölf Meter, daraus bekomme ich eine bestimmte Anzahl Stücke, wo und an wen verkaufe ich es (das Publikum in München ist anders als in Hamburg), läuft es gut, muss ich nachbestellen.
Was ist für dich Luxus?
Der größte Luxus ist das Leben, das ich führe. Dass ich den ganzen Tag das machen kann, was mir Spaß macht. Natürlich macht nicht alles Spaß. Wobei mir selbst die Buchhaltung Spaß macht – denn das sind Zahlen und wenn am Ende etwas Rundes dabei rauskommt, bin ich happy. (Sie strahlt tatsächlich.) Es lässt sich aus allem etwas Gutes rausziehen.
Manche sagen, dass das viel Arbeit wäre. Aber ich mache alles mit so viel Leidenschaft, und Arbeit ist nichts Negatives. Das ist für mich etwas absolut Positives. Es ist für mich Beschäftigung, und die brauche ich. Wenn mein Mann sagt, ich solle mich entspannen, antworte ich, dass ich entspannt bin, wenn ich etwas machen, etwas herstellen kann.
Was glaubst du, hat dir auf deinem Weg bis heute geholfen?
Ich bin mir sicher, dass eine Grundenergie nötig ist, die nicht von außen, die nur aus mir selbst herauskommen kann. Der eigene Antrieb. Ich bin mein eigener Motor.
Ich bin eine Macherin. Ich kann nie erwarten, dass es jemand für mich macht. Es wird einem nichts vorgekaut.
Es ist wichtig, ein Netzwerk aufzubauen. Von Erfahrungen und vom Austausch mit anderen kann ich so viel gewinnen. Es gibt großartige Menschen – und diese Menschen gilt es zu finden.
Der Austausch gibt mir wieder Energie und Anregungen. Das hält mich lebendig und diese Energie kann ich wieder weitergeben.
Ich weiß, was ich kann, und ich weiß, was ich möchte. Ich zweifle nicht. Ich bin vielleicht mal bei manchen Produkten unsicher, aber ich zweifle nicht daran, dass ich es kann.
Ich blocke auch alles, was mich auslaugt und aussaugt, ab. Es ist nicht so, dass ich mich nicht mit Problemen beschäftige, aber das mache ich analytisch.
Was bedeutet „selfmade“ für dich?
Ich habe alles selbst erschaffen, es hat mir niemand vorgekaut, es ist alles aus mir heraus entstanden. Meine Mode, mein Label, ich selbst (ich bin als Designerin ja zum Teil auch eine Art Kunstfigur).
Jeder Mensch hat kleine Eigenheiten oder Macken. Welche hast du?
Ich esse bestimmte Farben nicht. Ich mag keine weißen Soßen.
Ich kann nicht widerstehen, wenn …
… etwas gut duftet, es anzufassen und daran zu riechen.
Am Ende meines Lebens möchte ich …
… immer noch tanzen.
Angenommen, ein*e Praktikant*in kommt mit einem weißen Blatt Papier auf dich zu und bittet dich, drei Dinge aufschreiben, die du ihm/ihr mit auf den Weg geben würdest. Was würdest du aufschreiben?
» Wenn du merkst, etwas funktioniert nicht, lerne, dir einzugestehen, dass ein Fehler besteht, akzeptiere es und arbeite an der Lösung. Halte dich nicht so lange an einem Problem auf!
» Umgib dich mit Dingen, die dich in deiner Energie füttern und pushen. Wenn du merkst, dass dich etwas aussaugt, distanziere dich davon.
» Hau raus! Lass dich nicht einschränken.
Was setzt du mir auf meine To-do-Liste, was sollte ich wohl mal machen?
Ich war des Öfteren bei einer Suspension-Show dabei und es war faszinierend, zu beobachten, wie die Person, die es machte, reagierte und in Trance geriet. Besuch einmal eine Veranstaltung, bei der sich Menschen in Trance fallen lassen.
Vielen Dank für das Interview, Michaela.
BERON FASHION
Diana Merk, vielen Dank für Hair & MakeUP.
Diplom-Modedesignerin • Unternehmerin • Positives Energiebündel
Vom befriedigenden Gefühl des Erschaffens und den Ausdrucksformen einer Beinahe-Paläontologin als Modedesignerin.
Mit Michaela Reinhardt unterhielt ich mich in ihrem Bochumer Atelier darüber, wie sie logischerweise Designerin wurde und was sie, selfmade, aus sich gemacht hat.
Wie fandest du deinen Weg zum Modedesign?
Schon als Jugendliche sah ich anders aus, entsprach nicht dem Mainstream, habe mich mit meiner Kleidung identifiziert und ausgedrückt. Ich habe stets etwas Eigenes kreiert.
Mit meinen damaligen Fähigkeiten war es zunächst mehr oder weniger ein wildes Basteln. Aus Stoffresten nähte ich von Hand Sachen für die Puppen oder häkelte etwas. Später griff ich zur Nähmaschine meiner Mutter und versuchte, mir das Nähen selbst beizubringen. Sie hatte eine Truhe voll mit alten Stoffen aus den 1970ern, was für mich immer etwas Besonderes war.
Vielleicht waren es auch die Stoffe, das Haptische, was mich dann in meine Richtung brachte. Der Stoff an sich und was man daraus alles machen kann. Dass ich mich mit dem, was ich gemacht habe, einkleiden kann.
Hattest du ein Vorbild?
Ich hatte zumindest kein bewusstes Vorbild. Damals war ich angetan von Vivienne Westwood, der Queen des Punks, und dann ging es mit der Mode los. Sie war eine Inspiration, aber ich habe mir nie etwas von ihr an die Wand gehängt.
Musik spielte schon immer eine große Rolle in meinem Leben. Mein Vater ist seit jeher aktiver Musiker, auch meine Schwester und ich spielen Instrumente. Musik und Tanz sind Formen des Ausdrucks und gemeinsam mit Mode passt alles für mich zusammen.
Ich hatte also keine Person an sich als Vorbild, sondern eher eine Stilrichtung, die Musik, die Szene, das Sich-selbst-Ausdrücken. Ich hörte viel Indie und Punk. Gothic fand ich auch spannend - die Looks faszinierten mich, wenn ich die Menschen in der Bahn sah. Sie waren so elegant und schick.
Was liebst du an deiner Arbeit?
Ich habe am Ende ein Ergebnis: Es ist real. Ich kann etwas erschaffen. Wenn ich etwas am Computer machen würde, hätte ich am Ende vielleicht Tabellen oder Zahlen, aber das ist für mich nicht greifbar.
Dass es Mode geworden ist, liegt daran, dass ich mich einfach schon immer damit beschäftigt habe. Nach dem Abitur war die Überlegung, ob Paläontologie oder Modedesign. (Sie lacht.) Ich bin ein naturwissenschaftlicher, nüchterner, logisch denkender Mensch. Mathematik und Biologie waren meine Themen in der Schule. Mich hätte auch die Forschung interessiert.
An einer Kunstschule belegte ich Mode-Zeichenkurse und die Frage, ob es vielleicht Kommunikations-/Grafikdesign werden würde, stand im Raum. Doch am Ende war es das Produkt. Ich brauche etwas Haptisches, etwas, das ich anfassen kann.
Ging es vom Studium aus direkt in die Selbstständigkeit?
Während meiner Diplomphase befasste ich mich bereits mit einer Kollegin, die schon einige Zeit vor mir fertig war, mit der Selbstständigkeit. Wir wollten direkt nach meinem Diplom zusammen starten.
Wir dachten uns, dass es im Grunde clever wäre, erst Erfahrungen in der Industrie zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Aber wir wussten auch, wenn wir diesen Weg gingen, würden wir uns nie gemeinsam selbstständig machen. Wenn wir erst einmal unsere Sicherheit hätten und es liefe, würden wir nicht noch einmal zusammenfinden. Deshalb sagten wir uns, wir müssen direkt nach dem Studium starten, ohne Ahnung von allem. Das war auch ein Faktor, der viel Zeit kostete. Wir mussten jeden Fehler selbst machen.
Es gab vom Land Rheinland-Pfalz – ich habe in Trier studiert - geförderte Workshops und Werkstätten, wobei sich meine Kollegin für eine dreitägige Ideen-Werkstatt angemeldet hatte. Deren Team bestand unter anderem aus einer Unternehmensberaterin sowie einem Psychologen. Bei diesen Werkstätten beschäftigten sie sich intensiv mit den Bewerbern und deren Idee für die Selbstständigkeit.
Ich nahm anschließend an einer ähnlichen Kompetenz-Werkstatt teil. Dabei ging es drei Tage darum, ob jemand als Person die Kompetenz dazu hat, sich selbstständig zu machen.
Bei uns merkten sie, wie sehr wir es wollten, und so haben wir mit der Unternehmensberaterin zusammen – wieder vom Land gefördert – Kurse an jedem Samstag bekommen, bei denen es unter anderem darum ging, einen Businessplan zu entwickeln. Ganz individuell – mit Blick darauf, was wir brauchten, wie und wo wir etwas bekamen, Marktanalyse, Zielgruppenanalyse, Produktanalyse, Konkurrenzanalyse und so weiter.
Wie ging es dann für euch beide los?
Die nächste Frage war: Wo? Wir stammten aus unterschiedlichen Städten, ich aus Karlsruhe, meine Kollegin aus Heilbronn. An meinem Studienort wollte ich nicht bleiben. In Berlin war bereits so viel in Sachen Mode, die brauchten uns nicht. München war uns zu konservativ. Hamburg war zu nass oder zu teuer. Köln fiel raus, weil alle, die zum Film wollten, nach Köln gingen. Dann dachten wir an das Ruhrgebiet: Großes Einzugsgebiet, dort brodelte immer etwas, die Niederlande und Belgien sind in der Nähe. Wir überlegten, was in der Mitte liegt, und die Wahl fiel auf Essen.
Wir sahen uns Essen im Februar an, und das war furchtbar. Aber wir hatten es uns ausgesucht.
In der Stadt gibt es das „Unperfekthaus“, ein Künstlerhaus, auf das ich zuvor auch online gestoßen war. Als Kreativschaffende konnte man dort ein Atelier bekommen, wenn man entweder 15 Euro im Monat zahlte oder eine Stunde putzte. Das Konzept war eine Art lebendiges Museum. Mit Gastronomie im Erdgeschoss, und die Besucher mussten dir beim Arbeiten zuschauen dürfen.
Zufällig liefen wir daran vorbei und schauten es uns an. Ich ließ mich auf die Warteliste setzen, um mich für einen Platz zu bewerben. Im Sommer bekam ich die Nachricht, dass ich einen Raum bekommen kann, den ich mir mit einem Informatiker teilen müsste. So zog ich mit meinem Freund nach Essen, meine Kollegin blieb noch in Trier.
Wir gründeten zwei Firmen: ein Label namens „Tolllkirsche“ und eine Kostümfirma, mit der wir für Artisten vom Theater, den Circus Flic Flac und verschiedene Solokünstler kreative Outfits und Kostüme entwickelten. Auch für große Firmen haben wir Promotion-Kostüme für spezielle Anlässe kreiert.
Heute bist du allein selbstständig. Was waren die Schwierigkeiten, die dir/euch begegneten?
Meine Kollegin war die Managerin der Kostümfirma und ich jene des Modelabels. Du kannst aber nicht in jeder Firma parallel alles geben und vorantreiben. Das frustrierte und blockierte mich mit der Zeit. Nach vier Jahren meinte ich, dass wir das Konstrukt auflösen müssen. Sie übernahm dann die Kostümfirma und ich das Label.
Aufgrund von Umbauarbeiten musste ich auch aus dem Künstlerhaus raus und verließ Essen mit meinem jetzigen Mann.
Das Konzept des Labels „Tolllkirsche“ war erst schrill, bunt, Neon, Mustermix – in Richtung Asian Street Fashion. Später wandelte es sich zu alles schwarz, Boutique-Fetisch, Marlene-Hosen, Korsetts, alles sehr elegant. Unsere Mode war zum Teil exzentrisch, zum Teil tragbar, aber trotzdem eine sehr kleine Nische. Man hätte sie über Boutiquen verkaufen müssen. Das geht aber nicht, wenn du alles von Hand herstellst. Nebenbei hatte ich auch das Accessoire-Label „Pimpshrimp“ gegründet, bei dem es ausschließlich bunte, schrille und schräge Accessoires gab.
Unsere „Tolllkirsche“-Kollektionen kamen bei den Leuten super an und jeder wollte sie auf einer Show sehen. Doch zu wenige wollten die Sachen kaufen bzw. Geld dafür ausgeben. An solchen Punkten musst du dir eingestehen, dass etwas nicht funktioniert, und nüchtern darüber nachdenken, was der Grund ist, wo das Problem liegt. Ist es das Produkt, der Vertrieb, der Standort, die Zielgruppe, der Preis?
Ein Jahr lang habe ich mich damit auseinandergesetzt und dann fiel die Entscheidung, dass ich das Produkt ändere. Ich brauchte ein Nischenprodukt, welches ich selbst handhaben kann, das für mich umsetzbar ist, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat und ich weiter direkt an den Endkunden verkaufen kann. Ich entschied mich also, alles über Bord zu werfen, und gründete 2012 das Label „BERON“.
Wenn etwas nicht funktioniert, musst du immer wieder überlegen, woran es liegt, es dir auch eingestehen können und es dann verändern. Denn wenn du immer nur mit dem Kopf durch die Wand willst, tut dir am Ende nur dein Kopf weh. Ich bin Unternehmerin. Ich bin nicht Träumerin oder Künstlerin, die das nur für sich macht, sondern ich möchte und muss damit Geld verdienen.
Würdest du sagen, du bist bei Entscheidungen also eher vernunftgesteuert?
Es kommt darauf an, worum es geht. Die Entscheidungen aus unternehmerischer Sicht betrachte ich nüchtern und analytisch.
Aber wenn es um den Prozess geht, um die Entwicklung, die Umsetzung, ist es manchmal so, dass ich weiß, wie man es theoretisch macht, ich es dann aber nicht mache. (Sie lacht.) Vieles wurde mir beigebracht, was für meinen Betrieb aber nicht umsetzbar ist. Ich kann beispielsweise keine Stoffe anfertigen lassen, sondern bin darauf angewiesen, was der Markt hergibt. Ich mache es also umgekehrt: Ich schaue, was meine Lieferanten an Material haben, lasse mich davon inspirieren und entwickle daraus meine Kollektion.
Es kann auch passieren, dass ich Stoffe kaufe, sie aber nicht sofort verarbeite. Intuitiv weiß ich beim Einkauf: Das brauche ich, das kann ich verkaufen, wenn auch vielleicht nicht jetzt. Das hat viel mit Instinkt, Gefühl, mit Expertise und Erfahrung zu tun.
Anderes ist wieder rein rechnerisch. Ich kaufe zehn, zwölf Meter, daraus bekomme ich eine bestimmte Anzahl Stücke, wo und an wen verkaufe ich es (das Publikum in München ist anders als in Hamburg), läuft es gut, muss ich nachbestellen.
Was ist für dich Luxus?
Der größte Luxus ist das Leben, das ich führe. Dass ich den ganzen Tag das machen kann, was mir Spaß macht. Natürlich macht nicht alles Spaß. Wobei mir selbst die Buchhaltung Spaß macht – denn das sind Zahlen und wenn am Ende etwas Rundes dabei rauskommt, bin ich happy. (Sie strahlt tatsächlich.) Es lässt sich aus allem etwas Gutes rausziehen.
Manche sagen, dass das viel Arbeit wäre. Aber ich mache alles mit so viel Leidenschaft, und Arbeit ist nichts Negatives. Das ist für mich etwas absolut Positives. Es ist für mich Beschäftigung, und die brauche ich. Wenn mein Mann sagt, ich solle mich entspannen, antworte ich, dass ich entspannt bin, wenn ich etwas machen, etwas herstellen kann.
Was glaubst du, hat dir auf deinem Weg bis heute geholfen?
Ich bin mir sicher, dass eine Grundenergie nötig ist, die nicht von außen, die nur aus mir selbst herauskommen kann. Der eigene Antrieb. Ich bin mein eigener Motor.
Ich bin eine Macherin. Ich kann nie erwarten, dass es jemand für mich macht. Es wird einem nichts vorgekaut.
Es ist wichtig, ein Netzwerk aufzubauen. Von Erfahrungen und vom Austausch mit anderen kann ich so viel gewinnen. Es gibt großartige Menschen – und diese Menschen gilt es zu finden.
Der Austausch gibt mir wieder Energie und Anregungen. Das hält mich lebendig und diese Energie kann ich wieder weitergeben.
Ich weiß, was ich kann, und ich weiß, was ich möchte. Ich zweifle nicht. Ich bin vielleicht mal bei manchen Produkten unsicher, aber ich zweifle nicht daran, dass ich es kann.
Ich blocke auch alles, was mich auslaugt und aussaugt, ab. Es ist nicht so, dass ich mich nicht mit Problemen beschäftige, aber das mache ich analytisch.
Was bedeutet „selfmade“ für dich?
Ich habe alles selbst erschaffen, es hat mir niemand vorgekaut, es ist alles aus mir heraus entstanden. Meine Mode, mein Label, ich selbst (ich bin als Designerin ja zum Teil auch eine Art Kunstfigur).
Jeder Mensch hat kleine Eigenheiten oder Macken. Welche hast du?
Ich esse bestimmte Farben nicht. Ich mag keine weißen Soßen.
Ich kann nicht widerstehen, wenn …
… etwas gut duftet, es anzufassen und daran zu riechen.
Am Ende meines Lebens möchte ich …
… immer noch tanzen.
Angenommen, ein*e Praktikant*in kommt mit einem weißen Blatt Papier auf dich zu und bittet dich, drei Dinge aufschreiben, die du ihm/ihr mit auf den Weg geben würdest. Was würdest du aufschreiben?
» Wenn du merkst, etwas funktioniert nicht, lerne, dir einzugestehen, dass ein Fehler besteht, akzeptiere es und arbeite an der Lösung. Halte dich nicht so lange an einem Problem auf!
» Umgib dich mit Dingen, die dich in deiner Energie füttern und pushen. Wenn du merkst, dass dich etwas aussaugt, distanziere dich davon.
» Hau raus! Lass dich nicht einschränken.
Was setzt du mir auf meine To-do-Liste, was sollte ich wohl mal machen?
Ich war des Öfteren bei einer Suspension-Show dabei und es war faszinierend, zu beobachten, wie die Person, die es machte, reagierte und in Trance geriet. Besuch einmal eine Veranstaltung, bei der sich Menschen in Trance fallen lassen.
Vielen Dank für das Interview, Michaela.
BERON FASHION
Diana Merk, vielen Dank für Hair & MakeUP.
Diplom-Modedesignerin • Unternehmerin • Positives Energiebündel
Vom befriedigenden Gefühl des Erschaffens und den Ausdrucksformen einer Beinahe-Paläontologin als Modedesignerin.
Mit Michaela Reinhardt unterhielt ich mich in ihrem Bochumer Atelier darüber, wie sie logischerweise Designerin wurde und was sie, selfmade, aus sich gemacht hat.
Wie fandest du deinen Weg zum Modedesign?
Schon als Jugendliche sah ich anders aus, entsprach nicht dem Mainstream, habe mich mit meiner Kleidung identifiziert und ausgedrückt. Ich habe stets etwas Eigenes kreiert.
Mit meinen damaligen Fähigkeiten war es zunächst mehr oder weniger ein wildes Basteln. Aus Stoffresten nähte ich von Hand Sachen für die Puppen oder häkelte etwas. Später griff ich zur Nähmaschine meiner Mutter und versuchte, mir das Nähen selbst beizubringen. Sie hatte eine Truhe voll mit alten Stoffen aus den 1970ern, was für mich immer etwas Besonderes war.
Vielleicht waren es auch die Stoffe, das Haptische, was mich dann in meine Richtung brachte. Der Stoff an sich und was man daraus alles machen kann. Dass ich mich mit dem, was ich gemacht habe, einkleiden kann.
Hattest du ein Vorbild?
Ich hatte zumindest kein bewusstes Vorbild. Damals war ich angetan von Vivienne Westwood, der Queen des Punks, und dann ging es mit der Mode los. Sie war eine Inspiration, aber ich habe mir nie etwas von ihr an die Wand gehängt.
Musik spielte schon immer eine große Rolle in meinem Leben. Mein Vater ist seit jeher aktiver Musiker, auch meine Schwester und ich spielen Instrumente. Musik und Tanz sind Formen des Ausdrucks und gemeinsam mit Mode passt alles für mich zusammen.
Ich hatte also keine Person an sich als Vorbild, sondern eher eine Stilrichtung, die Musik, die Szene, das Sich-selbst-Ausdrücken. Ich hörte viel Indie und Punk. Gothic fand ich auch spannend - die Looks faszinierten mich, wenn ich die Menschen in der Bahn sah. Sie waren so elegant und schick.
Was liebst du an deiner Arbeit?
Ich habe am Ende ein Ergebnis: Es ist real. Ich kann etwas erschaffen. Wenn ich etwas am Computer machen würde, hätte ich am Ende vielleicht Tabellen oder Zahlen, aber das ist für mich nicht greifbar.
Dass es Mode geworden ist, liegt daran, dass ich mich einfach schon immer damit beschäftigt habe. Nach dem Abitur war die Überlegung, ob Paläontologie oder Modedesign. (Sie lacht.) Ich bin ein naturwissenschaftlicher, nüchterner, logisch denkender Mensch. Mathematik und Biologie waren meine Themen in der Schule. Mich hätte auch die Forschung interessiert.
An einer Kunstschule belegte ich Mode-Zeichenkurse und die Frage, ob es vielleicht Kommunikations-/Grafikdesign werden würde, stand im Raum. Doch am Ende war es das Produkt. Ich brauche etwas Haptisches, etwas, das ich anfassen kann.
Ging es vom Studium aus direkt in die Selbstständigkeit?
Während meiner Diplomphase befasste ich mich bereits mit einer Kollegin, die schon einige Zeit vor mir fertig war, mit der Selbstständigkeit. Wir wollten direkt nach meinem Diplom zusammen starten.
Wir dachten uns, dass es im Grunde clever wäre, erst Erfahrungen in der Industrie zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Aber wir wussten auch, wenn wir diesen Weg gingen, würden wir uns nie gemeinsam selbstständig machen. Wenn wir erst einmal unsere Sicherheit hätten und es liefe, würden wir nicht noch einmal zusammenfinden. Deshalb sagten wir uns, wir müssen direkt nach dem Studium starten, ohne Ahnung von allem. Das war auch ein Faktor, der viel Zeit kostete. Wir mussten jeden Fehler selbst machen.
Es gab vom Land Rheinland-Pfalz – ich habe in Trier studiert - geförderte Workshops und Werkstätten, wobei sich meine Kollegin für eine dreitägige Ideen-Werkstatt angemeldet hatte. Deren Team bestand unter anderem aus einer Unternehmensberaterin sowie einem Psychologen. Bei diesen Werkstätten beschäftigten sie sich intensiv mit den Bewerbern und deren Idee für die Selbstständigkeit.
Ich nahm anschließend an einer ähnlichen Kompetenz-Werkstatt teil. Dabei ging es drei Tage darum, ob jemand als Person die Kompetenz dazu hat, sich selbstständig zu machen.
Bei uns merkten sie, wie sehr wir es wollten, und so haben wir mit der Unternehmensberaterin zusammen – wieder vom Land gefördert – Kurse an jedem Samstag bekommen, bei denen es unter anderem darum ging, einen Businessplan zu entwickeln. Ganz individuell – mit Blick darauf, was wir brauchten, wie und wo wir etwas bekamen, Marktanalyse, Zielgruppenanalyse, Produktanalyse, Konkurrenzanalyse und so weiter.
Wie ging es dann für euch beide los?
Die nächste Frage war: Wo? Wir stammten aus unterschiedlichen Städten, ich aus Karlsruhe, meine Kollegin aus Heilbronn. An meinem Studienort wollte ich nicht bleiben. In Berlin war bereits so viel in Sachen Mode, die brauchten uns nicht. München war uns zu konservativ. Hamburg war zu nass oder zu teuer. Köln fiel raus, weil alle, die zum Film wollten, nach Köln gingen. Dann dachten wir an das Ruhrgebiet: Großes Einzugsgebiet, dort brodelte immer etwas, die Niederlande und Belgien sind in der Nähe. Wir überlegten, was in der Mitte liegt, und die Wahl fiel auf Essen.
Wir sahen uns Essen im Februar an, und das war furchtbar. Aber wir hatten es uns ausgesucht.
In der Stadt gibt es das „Unperfekthaus“, ein Künstlerhaus, auf das ich zuvor auch online gestoßen war. Als Kreativschaffende konnte man dort ein Atelier bekommen, wenn man entweder 15 Euro im Monat zahlte oder eine Stunde putzte. Das Konzept war eine Art lebendiges Museum. Mit Gastronomie im Erdgeschoss, und die Besucher mussten dir beim Arbeiten zuschauen dürfen.
Zufällig liefen wir daran vorbei und schauten es uns an. Ich ließ mich auf die Warteliste setzen, um mich für einen Platz zu bewerben. Im Sommer bekam ich die Nachricht, dass ich einen Raum bekommen kann, den ich mir mit einem Informatiker teilen müsste. So zog ich mit meinem Freund nach Essen, meine Kollegin blieb noch in Trier.
Wir gründeten zwei Firmen: ein Label namens „Tolllkirsche“ und eine Kostümfirma, mit der wir für Artisten vom Theater, den Circus Flic Flac und verschiedene Solokünstler kreative Outfits und Kostüme entwickelten. Auch für große Firmen haben wir Promotion-Kostüme für spezielle Anlässe kreiert.
Heute bist du allein selbstständig. Was waren die Schwierigkeiten, die dir/euch begegneten?
Meine Kollegin war die Managerin der Kostümfirma und ich jene des Modelabels. Du kannst aber nicht in jeder Firma parallel alles geben und vorantreiben. Das frustrierte und blockierte mich mit der Zeit. Nach vier Jahren meinte ich, dass wir das Konstrukt auflösen müssen. Sie übernahm dann die Kostümfirma und ich das Label.
Aufgrund von Umbauarbeiten musste ich auch aus dem Künstlerhaus raus und verließ Essen mit meinem jetzigen Mann.
Das Konzept des Labels „Tolllkirsche“ war erst schrill, bunt, Neon, Mustermix – in Richtung Asian Street Fashion. Später wandelte es sich zu alles schwarz, Boutique-Fetisch, Marlene-Hosen, Korsetts, alles sehr elegant. Unsere Mode war zum Teil exzentrisch, zum Teil tragbar, aber trotzdem eine sehr kleine Nische. Man hätte sie über Boutiquen verkaufen müssen. Das geht aber nicht, wenn du alles von Hand herstellst. Nebenbei hatte ich auch das Accessoire-Label „Pimpshrimp“ gegründet, bei dem es ausschließlich bunte, schrille und schräge Accessoires gab.
Unsere „Tolllkirsche“-Kollektionen kamen bei den Leuten super an und jeder wollte sie auf einer Show sehen. Doch zu wenige wollten die Sachen kaufen bzw. Geld dafür ausgeben. An solchen Punkten musst du dir eingestehen, dass etwas nicht funktioniert, und nüchtern darüber nachdenken, was der Grund ist, wo das Problem liegt. Ist es das Produkt, der Vertrieb, der Standort, die Zielgruppe, der Preis?
Ein Jahr lang habe ich mich damit auseinandergesetzt und dann fiel die Entscheidung, dass ich das Produkt ändere. Ich brauchte ein Nischenprodukt, welches ich selbst handhaben kann, das für mich umsetzbar ist, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat und ich weiter direkt an den Endkunden verkaufen kann. Ich entschied mich also, alles über Bord zu werfen, und gründete 2012 das Label „BERON“.
Wenn etwas nicht funktioniert, musst du immer wieder überlegen, woran es liegt, es dir auch eingestehen können und es dann verändern. Denn wenn du immer nur mit dem Kopf durch die Wand willst, tut dir am Ende nur dein Kopf weh. Ich bin Unternehmerin. Ich bin nicht Träumerin oder Künstlerin, die das nur für sich macht, sondern ich möchte und muss damit Geld verdienen.
Würdest du sagen, du bist bei Entscheidungen also eher vernunftgesteuert?
Es kommt darauf an, worum es geht. Die Entscheidungen aus unternehmerischer Sicht betrachte ich nüchtern und analytisch.
Aber wenn es um den Prozess geht, um die Entwicklung, die Umsetzung, ist es manchmal so, dass ich weiß, wie man es theoretisch macht, ich es dann aber nicht mache. (Sie lacht.) Vieles wurde mir beigebracht, was für meinen Betrieb aber nicht umsetzbar ist. Ich kann beispielsweise keine Stoffe anfertigen lassen, sondern bin darauf angewiesen, was der Markt hergibt. Ich mache es also umgekehrt: Ich schaue, was meine Lieferanten an Material haben, lasse mich davon inspirieren und entwickle daraus meine Kollektion.
Es kann auch passieren, dass ich Stoffe kaufe, sie aber nicht sofort verarbeite. Intuitiv weiß ich beim Einkauf: Das brauche ich, das kann ich verkaufen, wenn auch vielleicht nicht jetzt. Das hat viel mit Instinkt, Gefühl, mit Expertise und Erfahrung zu tun.
Anderes ist wieder rein rechnerisch. Ich kaufe zehn, zwölf Meter, daraus bekomme ich eine bestimmte Anzahl Stücke, wo und an wen verkaufe ich es (das Publikum in München ist anders als in Hamburg), läuft es gut, muss ich nachbestellen.
Was ist für dich Luxus?
Der größte Luxus ist das Leben, das ich führe. Dass ich den ganzen Tag das machen kann, was mir Spaß macht. Natürlich macht nicht alles Spaß. Wobei mir selbst die Buchhaltung Spaß macht – denn das sind Zahlen und wenn am Ende etwas Rundes dabei rauskommt, bin ich happy. (Sie strahlt tatsächlich.) Es lässt sich aus allem etwas Gutes rausziehen.
Manche sagen, dass das viel Arbeit wäre. Aber ich mache alles mit so viel Leidenschaft, und Arbeit ist nichts Negatives. Das ist für mich etwas absolut Positives. Es ist für mich Beschäftigung, und die brauche ich. Wenn mein Mann sagt, ich solle mich entspannen, antworte ich, dass ich entspannt bin, wenn ich etwas machen, etwas herstellen kann.
Was glaubst du, hat dir auf deinem Weg bis heute geholfen?
Ich bin mir sicher, dass eine Grundenergie nötig ist, die nicht von außen, die nur aus mir selbst herauskommen kann. Der eigene Antrieb. Ich bin mein eigener Motor.
Ich bin eine Macherin. Ich kann nie erwarten, dass es jemand für mich macht. Es wird einem nichts vorgekaut.
Es ist wichtig, ein Netzwerk aufzubauen. Von Erfahrungen und vom Austausch mit anderen kann ich so viel gewinnen. Es gibt großartige Menschen – und diese Menschen gilt es zu finden.
Der Austausch gibt mir wieder Energie und Anregungen. Das hält mich lebendig und diese Energie kann ich wieder weitergeben.
Ich weiß, was ich kann, und ich weiß, was ich möchte. Ich zweifle nicht. Ich bin vielleicht mal bei manchen Produkten unsicher, aber ich zweifle nicht daran, dass ich es kann.
Ich blocke auch alles, was mich auslaugt und aussaugt, ab. Es ist nicht so, dass ich mich nicht mit Problemen beschäftige, aber das mache ich analytisch.
Was bedeutet „selfmade“ für dich?
Ich habe alles selbst erschaffen, es hat mir niemand vorgekaut, es ist alles aus mir heraus entstanden. Meine Mode, mein Label, ich selbst (ich bin als Designerin ja zum Teil auch eine Art Kunstfigur).
Jeder Mensch hat kleine Eigenheiten oder Macken. Welche hast du?
Ich esse bestimmte Farben nicht. Ich mag keine weißen Soßen.
Ich kann nicht widerstehen, wenn …
… etwas gut duftet, es anzufassen und daran zu riechen.
Am Ende meines Lebens möchte ich …
… immer noch tanzen.
Angenommen, ein*e Praktikant*in kommt mit einem weißen Blatt Papier auf dich zu und bittet dich, drei Dinge aufschreiben, die du ihm/ihr mit auf den Weg geben würdest. Was würdest du aufschreiben?
» Wenn du merkst, etwas funktioniert nicht, lerne, dir einzugestehen, dass ein Fehler besteht, akzeptiere es und arbeite an der Lösung. Halte dich nicht so lange an einem Problem auf!
» Umgib dich mit Dingen, die dich in deiner Energie füttern und pushen. Wenn du merkst, dass dich etwas aussaugt, distanziere dich davon.
» Hau raus! Lass dich nicht einschränken.
Was setzt du mir auf meine To-do-Liste, was sollte ich wohl mal machen?
Ich war des Öfteren bei einer Suspension-Show dabei und es war faszinierend, zu beobachten, wie die Person, die es machte, reagierte und in Trance geriet. Besuch einmal eine Veranstaltung, bei der sich Menschen in Trance fallen lassen.
Vielen Dank für das Interview, Michaela.
BERON FASHION
Diana Merk, vielen Dank für Hair & MakeUP.
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