Fotografenmeister • Bildbearbeiter • Cirque du Vegas Mitgründer und ARTist • Folierer • Bastlwastl • Stein- & Holzbildhauer • Bademeister
Wohin führt es, Bisheriges hinter sich zu lassen und etwas Neues anzugehen, der Neugierde zu folgen? Matthias Schwaighofer führte es bislang in die Welt der Formel 1, als Speaker auf die photokina, auf die Bühne einer eigenen Vegas-Zirkus-Show, zu einer Metal-Band und zur Geburt eines Lammes. Was Letzteres mit mir zu tun hat und ob oder was mir begegnen wird, wird sich zeigen.
Matthias, wie kamst du von der (unter anderem) Formel-1-Fahrzeug Beklebung auf die Bühne einer Vegas-Show?
Wie bei allem in meinem Leben: Es ist nichts geplant. Ich zehre viel von Begegnungen mit Menschen. Da ich sehr offen bin, viele Wünsche und Träume habe, kommt es vor, dass ich jemanden treffe, der in dem Augenblick genau das widerspiegelt, was ich auch gerne möchte.
Gregor Glanz, mit dem zusammen ich Cirque du Vegas aufbaute, steht seit Jahren in der Öffentlichkeit, ist ein sehr guter Sänger und Entertainer. Er kam zu mir und wollte ein Poster für eine Show, die er im Sinn hatte, um damit in Gespräche und die Planung zu gehen. Er warf das grobe Konzept einer Show wie in Las Vegas in den Raum und meine Aufgabe war es, das Artwork zu kreieren. Wir stellten fest, dass wir uns mögen, und durch meine Bilder sah er, dass ich viele Karikaturen von mir selbst mache, worauf er meinte: „Du wärst der ideale Clown für die Show.“ Dazu sagte ich: „Ja!“
So entstanden eine Freundschaft und ein Plan. Wir entwickelten eine Geschichte, ein Drehbuch für das Programm und kamen an den Punkt, an dem wir sagten: „Wir machen bereits so viel miteinander, jetzt müssen wir diese Firma gründen.“ Dann war ich auf einmal mit 50 Prozent Teilhaber des Ganzen. Das war zwei Jahre vor Corona.
Vielleicht eine der mutigsten Entscheidungen die ich bisher traf. Es war finanziell durchaus riskant. In Wien spielten wir, in unserem Zirkuszelt für knapp 700 Personen, 30 Shows. Anschließend waren wir in Stuttgart und dann kam Corona. Im Team waren 35 Selbstständige und kurz vor der Pandemie standen wir mit Summe null da, hatten viel erlebt, viel Stress, aber auch jede Menge Freude, was das Wichtigste war. Außerdem konnte ich zwei Jahre Bühnenluft schnuppern. Das war großartig. Etwas, wovon ich immer träumte: mit einem Zirkus reisen. Klassisch mit Wohnmobil ein Vagabundenleben führen. Das war es bei uns allerdings nicht. (Er fängt an, zu lachen.) Wir hatten Hotels.
Die Zeit war unfassbar kreativ. Die gesamte Werbung und das Design des Zirkus stammt aus meiner Feder. Ebenso die fotografische Dokumentation. Alles, was ich zuvor gemacht habe, konnte ich hier einfließen lassen.
Wenn sich die Möglichkeit böte, würdest du das Cirque-du-Vegas-Leben gerne wiederholen?
Es war interessant, aber ob ich, nach zweieinhalb Jahren Corona, noch einmal damit durchstarten würde, kann ich dir nicht sagen. Aktuell wäre es mir wahrscheinlich zu heikel. Die Menschen, die dabei waren und uns gerne besuchten, hatten die letzten Jahre andere Sorgen und ich weiß nicht, wie aufnahmefähig sie jetzt für so etwas wären. Und ich müsste es machen, um herauszufinden, ob ich es wiederholen möchte. (Er fängt an, zu lachen.)
Ich glaube, ich muss selbst wieder mutig werden. Rückblickend weiß ich, dass wir viel Glück hatten. Oder es richtig gemacht haben. Das ist immer die Frage: Hattest du Glück oder warst du komplett auf dem richtigen Weg? In jedem Fall kann ich sagen, ich habe es erlebt und vielleicht war es das auch
Was gefiel dir am besten dabei?
Das riesige Zelt ist stockdunkel. (Er macht eine Pause und seine Hände zeichnen die Weite des Zeltes nach.) Du siehst nichts, weil ein Scheinwerfer auf dich gerichtet ist. Zu spüren, das Publikum schaut auf dich, erwartet etwas und was du zuvor monatelang geplant hast kommt an. Festzustellen, die Geschichte, die wir um den Clown geschrieben, hier geprobt haben, geht auf. Diese Gänsehaut-Momente. Und lustiger Weise – ich bin eigentlich kein emotionaler Mensch – beim Abschlussapplaus jedes Mal zu Tränen gerührt zu sein, weil die Gäste stehen und das, was wir uns gemeinsam ausdachten, bejubeln, das war das Schönste. Das Tourleben selbst war katastrophal. Wir hatten einen Hurrikan, wussten bis zum Schluss nicht, ob wir draufzahlen, was dabei rauskommt.
Das klingt nach einer lehrreichen Zeit.
Ich habe sehr viel gelernt. Angefangen bei der gesamten Bühnendekoration über – für mich – völlig neue Dinge. Ich musste mich auf einmal mit Sound und Lichtsetzung auskennen. Die engagierte Firma musste von mir gebrieft werden. Wir brauchten für die Karten ein Design, die Website musste erstellt werden, die Zusammenarbeit mit Ticketagenturen, die Zeitungen brauchten Material, damit sie Werbung machen konnten. Ich unterschätzte anfangs, was alles damit einherging.
Worüber musst du noch heute lachen?
Jeden Tag um 16 Uhr öffneten wir das Zelt und es standen ständig säckeweise altes Brot davor, mit einem Zettel „Für die Kamele“. Die Leute dachten, wir hätten Tiere und spendeten uns altes Brot. Solche Sachen passierten.
Wie macht sich ein Projekt bei dir bemerkbar, wann kommst du ins Machen?
Ich merke fast nie, dass ich an einem Projekt arbeite. Irgendwann stelle ich fest, dass ich etwas seit zwei Monaten mache.
(Er fängt an, zu lachen.) Ich werde fanatisch, während ich mich einfach mit etwas beschäftige. Wache nachts auf und denke darüber nach oder verweile tagsüber immer wieder gedanklich bei einer Sache.
Du hast bereits die unterschiedlichsten Dinge gemacht. Was machst du am liebsten?
Ich löse mich gerne von Sachen, bei denen ich merke, dass ich dabei nicht weiterkomme, die für mich ausgelutscht sind, die nicht mehr das sind, wohin ich möchte.
In meine eigenen Projekte lasse ich mein Herzblut und meine Finanzen fließen, komme, was da wolle. Ich will sie machen, um es zu können oder um es einmal durchgezogen zu haben.
Wenn ich viele Sachen, die ich gelernt habe, kombinieren kann, bin ich am glücklichsten. Wenn ich zum Beispiel Skibobs bauen will und merke, ich kann zwar noch nicht schweißen, aber ich kann die Lederarbeiten machen und die Elektronik. Dieses „Selbst-Machen“ ist, glaube ich, tief in mir verankert.
Ich bin sehr neugierig, was Handwerk und Technik betrifft. Allerdings immer nur bis zu einem gewissen Punkt. Bis ich sagen kann: Ich kann es ein bisschen. Profi bin ich in gar nichts. Vielleicht in Bildbearbeitung und Fotografie. Aber auch nur, weil ich das seit fast 20 Jahren mache. Alles andere kann ich bis zu einem gewissen Punkt und dann merke ich, dass es mich schon nicht mehr interessiert, ich etwas anderes machen möchte. (Er schmunzelt.)
Passiert es oft, dass sich aus deinen eigenen Neugier-Projekten Aufträge ergeben?
Das ist vielleicht ein Argument, um es auch vor meiner Frau rechtfertigen zu können. (Er schmunzelt.) Ein gutes Beispiel ist das 3D-Drucken. Damit fing ich nicht an, um daraus einen YouTube-Kanal zu machen und wieder etwas Geld zu verdienen. Mein Bruder sagte mir, das wäre genau meins, ich sollte mir einen 3D-Drucker kaufen. Dann stand auf einmal einer da. Meine Frau ahnte direkt, dass ich wieder drei Monate weg sein werde.
Irgendwann häuften sich die Fragen, warum es keine neuen Photoshop-Tutorials und Videos mehr gäbe. Daraufhin entschied ich mich, zu zeigen, was ich gerade mache. Ich veröffentlichte das erste 3D-Druck-Video und stellte fest, dass die Leute das sehen wollen, Potenzial darin steckt. Somit hatte ich einen 3D-Druck-Kanal, den ich wiederum damit verbinden konnte, Props für meine Rüstungen und Kostüme zu bauen, um sie zu fotografieren.
Vielleicht versuche ich, mir das Ganze aber auch selbst ein bisschen schönzureden, um zu sagen, das habe ich gemacht, weil ... (Er fängt an, zu lachen.)
Ich bin nicht müde, etwas zu lernen. Im Gegensatz zu meinen zwölf Jahren Schulzeit, als ich nicht lernen wollte, weshalb ich es auch nicht konnte, lerne ich jetzt das, was ich lernen möchte und auf einmal funktioniert es.
»Wenn ich viele Sachen,
die ich gelernt habe,
kombinieren kann,
bin ich am glücklichsten.«
Matthias Schwaighofer
Welches sind die für dich interessantesten Projekte?
Ich würde sagen, dass Überleben das spannendste Projekt in meinem Leben ist. Ich mache vieles, was finanziell nicht sehr förderlich für ein normal gesundes Leben ist. Aber ich habe mich bisher immer durchgewurschtelt. Hätte ich eine Million Euro auf dem Konto, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr kreativ, denn ich zehre von Stress und Frust. Aus Angst – wenn ich sehe, das Finanzamt möchte wieder viel zu viel Geld, das ich nicht zahlen kann – werde ich kreativ.
Es gibt immer wieder Momente, in denen ich mich frage, wie ich es schaffe, das geht nie auf. Und doch schaffte ich es. Ich lebe gut, ich bin glücklich und das ist ausreichend. Ich habe einen Weg für mich gefunden. Dass sich daraus kein Business-Coaching machen lässt, ist mir aber auch klar.
Welche Tiefs gab es bisher in deinem Leben – und wie gehst du mit ihnen um?
Ich habe viele Fehler begangen oder bin in solche hineingerutscht, die man als Selbstständiger scheinbar lernen muss. So musste ich einmal in Summe 90.000 Euro binnen zwei Wochen zahlen. Ein Betrag, den ein Selbstständiger nicht einfach auf der hohen Kante hat.
Ich sehe mein Leben bisher als ein Rauf und Runter. Und wenn es raufgeht, zahle ich gerade wieder irgend etwas zurück. (Er lacht.) Vor fünf, sechs Jahren kostete mich das teils noch schlaflose Nächte. Mittlerweile stumpfe ich dahin gehend etwas ab. Ich bekomme es irgendwie hin und sollte ich es einmal nicht mehr hinbekommen, räume ich im Supermarkt Regale ein. Die Zeit, in der ich bisher selbstständig sein durfte, schätze ich sehr. Wenn es einmal nicht mehr gehen sollte, ist es so. Aber so weit war ich noch nie. Deshalb habe ich mir auch viele Möglichkeiten geschaffen, in meinem Leben etwas machen zu können. Die Beklebungen zum Beispiel, wollte ich ursprünglich sein lassen, weil ich Fotograf werden wollte. Genau das half mir aber in Zeiten von Corona. All die verschiedenen Standbeine sind teils kleine Posten, die mich in der Summe über Wasser halten.
Was macht dein Leben für dich momentan wertvoll und was glaubst du hat dich bis hierhin gebracht?
Dass ich das machen kann, was ich möchte und es von scheinbar genug Leuten akzeptiert wird, wenn ich etwas Verrücktes mache. Ich glaube, es zeichnet mein Leben aus, dass ich viel und gerne arbeite, aber auch Leute um mich habe, die da mitmachen.
Ein großer Vorteil ist diese Wohnung. Da wir hier leben und ich hier arbeiten kann, sehe ich zwar ständig die Arbeit, kann sie aber auch sofort machen, wenn ich Zeit oder Lust habe. Meine Partnerin ist so fair, dass sie mich auch arbeiten lässt. Sie weiß, ich kann am besten zwischen sechs und neun Uhr morgens und dann wieder ab 16 bis 23 Uhr arbeiten.
Die Einstellung, dass es mir egal ist, was andere über mich denken, brachte mich vielleicht auch weiter. Bei meinen Selbstporträts komme ich schließlich nicht gut weg. Ich biete keine Angriffsfläche, es prallt vollkommen an mir ab und mir ist es egal, wenn jemand nicht mit mir konform ist. Das sind dann einfach Menschen, die Fremde bleiben.
Deine karikierten Selbstporträts sind auch aus der Not heraus entstanden, richtig?
Genau, denn ich hatte keine Models, die den Blödsinn mitmachen wollten. Das sind die glücklichen Zufälle im Leben. Vielleicht bin ich aber auch Egoist, weil ich schlichtweg viele Ideen nur mit mir machen würde. Das sind meine Ideen und da möchte ich schon selbst das Model sein. (Er schmunzelt.) Außerdem habe ich kein Problem damit, wenn eine Idee nicht funktioniert. Ich investierte anfangs etliche Stunden in Set-Aufbau und Make-up, um ein Bild zu machen, bei dem ich dann feststellte, dass es nicht funktioniert. Ein Model, das extra dafür ins Studio kommt, vielleicht am Anfang noch kostenlos für dich arbeitet, kommt dann möglicherweise nicht mehr.
Die Zeit dieser Porträts ist allerdings schon lange her. Mittlerweile mache ich anderes, was mir gefällt. Vielleicht liegt es aber auch am langen Bart. Mit dem ist meine gummiartige Mimik nicht mehr gut sichtbar. (Er lacht.)
Warum hast du dir deinen Bart wachsen lassen?
Der Bart kam auch mit einem Job. Seit knapp zwei Jahren arbeite ich als Stage Manager für die Metalband „Warkings“, was auch fast wie bei Cirque du Vegas anfing. Sie brauchten jemanden für Bandfotos und da es eine kostümierte Band ist, brauchten sie jemanden, der die Bilder passend zum Thema bearbeiten, das entsprechende Artwork erstellen kann. Die Kostüme baute ich auch für sie und schließlich wurde ich Teil der Show. Bei der ganzen Sache passt ein Bart besser als ein Glatzköpfiger ohne Bart. Und es gefällt mir mittlerweile auch.
Ein perfekter Tag beginnt mit …
… früh aufstehen und Kaffee.
Das Bekloppteste, was ich bisher gemacht habe, war …
… mich mit einem Business selbstständig zu machen, von dem ich keine Ahnung hatte, wie es funktioniert: Fotografie.
Ich hatte eine Kamera, fotografierte auf Automatik, bekam für drei Monate Aufträge zugesagt und war der Meinung: „Das kriegen wir schon irgendwie hin.“ Parallel betrieb ich die Folienverklebung – dafür hatte ich genügend Aufträge. Zwei Jahre später machte ich meinen Fotografenmeister.
Ich kann nicht widerstehen, wenn …
… jemand sagt, dass ich etwas nicht hinbekomme, es zu machen. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich dann intensiv versuche, es hinzubekommen. (Er schmunzelt.)
Angenommen, du sitzt im hohen Alter auf einer Bank und das Kind deiner Nichte kommt mit der Bitte zu dir, du mögest drei Dinge aufschreiben, die du ihm/ihr mit auf den Weg geben würdest. Was würdest du aufschreiben?
Ob ich jetzt schon weise sein darf? (Er schmunzelt.) Vielleicht kommst du in 40 Jahren nochmal.
• Das Kind in sich beibehalten. Ich lebe nach dem „Peter-Pan-Prinzip“: Ich habe nicht mitbekommen, wann ich erwachsen wurde.
• Nicht mutig, sondern ohne Angst sein. Viele haben Angst davor, etwas nicht zu können, einer Sache nicht gewachsen zu sein. Aber wenn du dir alles beibringen kannst, verlierst du auch mit der Zeit die Angst davor, etwas noch nicht zu können.
• Vielleicht nicht jedem vertrauen. Mir gefiel einmal ein Bildnis dafür: Man solle sich sein Leben wie eine Insel vorstellen. Jeder Mensch hat seine Insel und trifft manchmal auf andere. Manche passen zueinander und andere nicht. Schützte deine Insel und ab und an machst du einen Tag der offenen Tür und lässt jemanden drauf.
Was setzt du mir auf meine To-do-Liste, was sollte ich wohl mal machen?
Nachdem du schon Fallschirmspringen warst, ist meine Aufgabe für dich folgende: Nimm dir einen Tag, suche dir eine Himmelsrichtung aus, geh vier Stunden lang in diese Richtung und stelle fest, was du nicht gesehen hättest, wärst du zu Hause geblieben.
Ich ging einmal um sechs Uhr morgens los, blieb um zehn Uhr fix und fertig auf einem Feld stehen und vor mir brachte ein Schaf ein Lamm zur Welt.
Vielen Dank für das Interview und vielleicht bis zur Wiederholung in 40 Jahren, Matthias.
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